Bio-Lebensmittelhersteller als transformative Kraft –
Im Gespräch mit Dietrich Praum von SOMMER
AöL: Mit Ihnen in der Geschäftsführung, Herr Praum, befindet sich ihr Unternehmen Sommer gerade in der fünften Generation. Wie war Ihr Werdegang im Unternehmen, wie wurden Sie familienhistorisch vom Handwerk geprägt?
Dietrich Praum: Ich war schon während meiner Kindheit und Jugend mit im Unternehmen aktiv. Ich bin aufgewachsen mit einem Vater, der leidenschaftlicher Hobbykoch war, aber vor allem gelernter Konditor. Mein Vater hat die Produktion und den Bereich Technik geleitet. Er hat als Inhaber und Geschäftsführer selbst täglich am Teigkessel gestanden und war auch in der Produktion tätig und das habe ich dann auch getan, als ich nach abgeschlossener Ausbildung und Studium fest in die Firma eingetreten bin.
Die ersten paar Jahre habe ich in der Produktion verbracht und habe kennengelernt, wie man Keks und Zwieback macht und mich dann der Produktentwicklung gewidmet, so wie es mein Vater auch immer getan hat. Ab diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, das Sortiment auf hochwertige Qualitätsprodukte umzuschreiben und da war es natürlich konsequent zu sagen, das muss dann Bio sein. Wenn man wirklich Qualität im umfassenden Sinne machen will, ist es angesagt, das in Bio-Qualität zu tun. Wir haben dann unsere Rezepturen peu a peu umgeschrieben und vereinfacht. Wir sind auch dazu übergegangen, im Rahmen der Umstellung auf Bio-Produkte, wo es von der Rezeptur her möglich ist, auf vegan umzustellen, sodass wir Anfang der 2000er Jahre der erste Keks- und Zwiebackhersteller waren, der vegan auf den Produkten stehen hatte. Parallel wurden wir Mitglied bei Demeter, so haben wir nächstes Jahr nicht nur 160 Jahre Sommer, sondern auch 20 Jahre Mitgliedschaft bei Demeter.
Bei uns war es auch schon vor der Umstellung auf Bio immer Grundverständnis unserer Tätigkeiten, dass Produkte so weit wie möglich naturbelassen sein sollten, mit kurzen Zutatenlisten. Das hat uns den Schritt zu einer Bio-Verarbeitung sehr einfach gemacht, da wir keine Chemikalien aus der Trickkiste eliminieren mussten – die hatten wir sowieso schon nicht drin. Wir hatten schon immer nur natürliche Essenzen, Gewürze zur Geschmacksgebung, hatten noch nie Emulgatoren oder Isolate im Einsatz, weil wir das nicht brauchen, auch nicht für vegane Produkte, es geht, wenn man sein Handwerk versteht. Das ist ein weiterer Aspekt, der wichtig ist – bei uns spielt das Handwerk eine große Rolle, wir passen nicht unsere Rezepturen an industrielle Maschinen an, sondern umgekehrt, wir passen den Prozess an unsere Rezepturen an, denn dann kommt das raus, was wir uns vorstellen.
AöL: Die Technik wird an die handwerklichen Qualitätsvorstellungen angepasst, die man an ein Produkt hat – das ist eine Kunst, da haben Sie eine transformative Rolle.
Dietrich Praum: Wir stellen Konditorenqualität, also handwerkliche Qualität, im industriellen Maßstab her. Und das geht nur mit einem bestimmten Teil an Handarbeit. Wir können uns unsere sehr geschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wegrationalisieren, das wollen wir auch nicht. Hier sind die Grenzen zur Massenindustrie, der Handwerksanteil muss bleiben, sonst verlieren die Produkte ihren wertvollen Charakter
AöL: Wie sind Ihre neuen Produkte entstanden, die Ackerbohnencracker?
Dietrich Praum: Wir beschäftigen uns jetzt seit drei Jahren mit dem Thema Hülsenfrüchten. Die Ackerbohne zusammen mit der Erbse sind die wichtigsten Leguminosen in Deutschland. Wir haben uns zunächst einmal für die Ackerbohne entschieden, weil sie gut verfügbar in Deutschland ist, vor allem Norddeutschland. Sie ist geschmacklich eher zurückhaltend, sie hat nicht so viel Eigenaroma und ist so gut kombinierbar mit weiteren Zutaten und Backeigenschaften. Da haben wir schon einige Produkte rausgebracht, aber haben noch mehr in Planung. Der Leguminosen-Anbau ist für die Bio-Landwirtschaft ein wichtiger Punkt. Es werden zu wenig Leguminosen angebaut, weil sie nicht nachgefragt werden – wir fragen sie jetzt nach. Und für die Fruchtfolge, gerade bei Bio durch Knöllchenbakterien und Stickstoffbeitrag, spielt das eine große Rolle, aber das muss dann auch verkauft werden.
AöL: Hier sind wir wieder beim Punkt transformatives Unternehmen – das was der Boden braucht, marktfähig zu machen und anzubieten. Zum Thema pflanzliche Ernährung – es wird ja im Moment viel im Bereich Ernährung thematisiert. Jeder schmückt sich mit dem Thema vegan, hat dann aber eine Papyrusrolle voll Zutatenlisten. Habt ihr das Gefühl, dass es ankommt bei den Leuten? Vegan und Bio – ist das ein Mehrwert, den ihr verkaufen könnt?
Dietrich Praum: Wir wenden uns an die Konsumenten, die den Fokus auf Bio haben, nicht an die, die nur den veganen Blick haben. Ich persönlich bin der Meinung, vegan (oder pflanzenbasiert und Bio-Ernährung gehören zusammen, damit es im Sinne der Nachhaltigkeit komplett ist.
AöL: Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, was ist denn Ihre Vorstellung, von einer guten Ernährung?
Dietrich Praum: Ich selbst bin kein Veganer, aber bin mir sehr bewusst, dass der Fleischkonsum zu hoch ist und deshalb achte ich auch privat darauf, ihn in Maßen zu halten, das bedeutet auch, man muss wissen wo es herkommt. Ernährung spielt für mich und meine Familie als Genuss und Tischkultur eine große Rolle. Das gehört zusammen, gute Zutaten bedeutet auch gut kochen. In dem Sinne verstehe ich Ernährung als Gesamtkunstwerk – mit allen Geschmacksnuancen, die es dabei zu entdecken gibt.
AöL: Die Lebensmittelherstellerinnen und -hersteller kümmern sich um die Ernährung der Menschen – und der Genuss gehört genauso mit dazu.
Dietrich Praum: Das Essen als Ernährungsakt ernährt nicht nur die Organe, den Körper und jede einzelne Zelle, sondern auch den Geist und die Seele. Essen ist auch ein Kommunikationspunkt, deshalb isst man auch mit Familie, Freunden und Kollegen. Essen ist ein Punkt, an dem man Pause im Alltag macht. Deswegen muss Essen in einer gewissen Weise zelebriert werden und das geht nur, wenn es schmeckt.
AöL: Inwieweit ist Nachhaltigkeit bei Ihnen schon mitgelebt – von der Landwirtschaft bis zum Unternehmen?
Dietrich Praum: Unsere Nachhaltigkeitszertifizierung ist im Werden, dafür sind die Ressourcen bereitgestellt in Form von Arbeitskraft und allen anderen Mitteln, die notwendig sind. Wir befassen uns damit ganz systematisch, so werden auch viele Dinge aufgearbeitet und konsequenter umgesetzt, die man bis dahin vielleicht nicht betrachtet hat. Es ist nicht nur Papier, was am Ende rauskommt, sondern es bewegt auch etwas, im Sinne von z.B. Energieverbrauch, Wasserverbrauch, Putzmaterialienverbrauch. Man muss klein anfangen, es ist die Addition der ganzen Kleinigkeiten, die am Ende etwas bewegt. Energie ist die größte Herausforderung, die wir haben. Es gibt einen Grundbedarf, unter den man nicht kommt, wenn man bäckt.
Wir haben in Bezug auf Röstzeiten und Schichtplanung einiges erreicht, sodass wir nicht so viel Leerlauf haben, wo viel Energie verloren geht. Das hat gleichzeitig einen positiven wirtschaftlichen Effekt, wenn man die Rüstzeiten vermindert.
AöL: Welche Aussichten haben Sie für die nächsten 10 Jahre, wo geht’s hin für das Unternehmen?
Dietrich Praum: So wie es auch die letzten 10 Jahre war, wollen wir uns moderat organisch weiterentwickeln, neue sinnvolle Produkte bringen und haben auch einiges schon in der Entwicklung. Wir wollen vor allem die Firma nachhaltig aufstellen und fit machen für die Zukunft. Das tun wir, indem wir zum einen die Firmenstruktur juristisch geändert haben, wir führen die Firmen Praum und Sommer zusammen. Zum anderen digitalisieren wir gerade auf ganz hohem Niveau, wir führen eine neue Software ein, die von Produktion bis Vertrieb alles einschließt. Da werden wir auch schlanker werden in den Abläufen, wir werden schneller und genauer. Dadurch werden wir Fehlproduktionen verstärkt vermeiden können, was unseren CO2-Abdruck noch etwas verbessern wird. Die Marke Sommer wird gerade komplett gerelauncht, das heißt natürlich wir werden nicht alte Verpackungen zum Stichtag wegwerfen, sondern aufbrauchen, aber wir geben uns jetzt einen neuen Look.
Die Fragen stellte Anne Baumann.